Studi trifft Senior: Lebe lieber ungewöhnlich mit Wohnbuddy
Es ist so einfach wie genial: Studis müssen sich zumeist mit teurem und zu kleinem Wohnraum rumschlagen, Senioren leben oftmals alleine in riesigen Wohnungen und würden sich über Gesellschaft freuen. Führe diese beiden Welten zusammen und bäm: Eine Win-Win-Situation für jeden! Auf der Plattform Wohnbuddy werden die ungewöhnlichen Wohn-Matches zwischen Jung und Alt geschaffen, die mittlerweile schon um die 400 Personen zusammengeführt haben. Wir haben mit Mitbegründerin Marlene genauer über das Konzept gesprochen, darüber welche Art von Studi für diese Wohnform geeignet ist und warum man die ältere Generation auf keinen Fall unterschätzen sollte!
iamstudent: Was stand bei der Gründung von Wohnbuddy 2015 im Zentrum: der Wohn- oder der Generationenaspekt?
Marlene: Es war eine Mischung, aber eigentlich war das Generationenthema fast früher da. Wir drei Gründer stammen alle aus den Bundesländern, und haben beim Umzug nach Wien selbst die Erfahrung gemacht, dass es hier diesen Mehrgenerationenhaushalt, wie wir ihn von Zuhause kannten, nicht gibt. Und zum anderen haben wir dann natürlich auch am eigenen Leib erfahren, dass es relativ wenig Platz gab und die Mieten relativ teuer waren.
Das ist ja ein Problem, das vermutlich nicht besser wird: Studis haben kaum Einkommen, aber die Mieten werden noch und noch teurer.
Ja, vom Aspekt der jungen Menschen sieht es so aus: Du zahlst verhältnismäßig viel für wenig Wohnraum. Es ist eine starke finanzielle Belastung, die beim Wohnen besteht, vor allem für Menschen, die in Ausbildung sind. Ältere Leute haben oft viel Wohnraum und leben alleine. Und der Wohnraum, den sie haben, der ist sehr günstig. Sei es, weil ihnen die Wohnung gehört, oder weil sie einen alten Mietvertrag haben. Und die Älteren haben gerne Gesellschaft. Da kam dann der Gedanke, diese beiden Bedürfnisse zusammenzuführen.
Lukas, Marlene und Manuel sind die Gründer von Wohnbuddy (v.l.n.r.).
Wie viele Kombis sind da in der Zwischenzeit entstanden?
Da direkt eine Zahl zu nennen, ist schwierig. Neben den privaten Vermittlungen, wo Senioren ihre leeren Zimmer anbieten, vermitteln wir ja auch Wohneinheiten in Seniorenwohnhäusern, und da haben die Jungen dann Kontakt zu mehreren Bewohnern auf einmal. Wir schätzen, wir haben ca. 400 Menschen bis jetzt zusammengebracht.
Was ist die günstigere Methode?
Eine Wohnung im Seniorenwohnhaus mit eigener Küche und Bad ist bei erschwinglichen 440€. Wenn du dort zu zweit einziehst, ist es mit 220€ pro Person nochmal günstiger. Im privaten Bereich bewegt es sich zwischen 50€ und 350€, das kann man pauschal nicht sagen.
Es gibt keine wirkliche Hauptpräferenz bei den jungen Menschen, die einen wollen das lieber, die anderen das andere. Mehr Privatsphäre und anonymer bist du mit deiner eigenen Wohnung im Seniorenwohnhaus. Wenn man mehr Kontakt haben will, ist die WG besser. Da haben wir unterschiedliche Angebote. Was auf alle Fälle gleich ist: Wir können Wohnraum deutlich unter Marktpreis anbieten!
Sind es denn nur Studis, die sich dafür melden?
Hauptsächlich, aber nicht nur. Auch Menschen, die eine Lehre machen oder eine Schule besuchen, sind dabei. Aber auch junge Berufstätige. Ganz unterschiedlich. Sie müssen mindestens 18 sein, die meisten sind breitgefächert im Alter zwischen 20 und 35 Jahren.
Was muss man denn für ein Typ sein, um als Wohnbuddy geeignet zu sein?
Worauf wir stark achten ist das Thema der Zuverlässigkeit. Man muss sich für andere Menschen interessieren, offen sein für Neues. Und man muss eine Motivation mitbringen. Das ist auch unser Job, das abzuklären. Wenn wir merken, es geht nur ums billige Wohnen, dann wird das nichts.
Ist es denn so, dass vor allem Studis eines sozialen Lehrgangs das Angebot wahrnehmen?
Nein, interessanterweise überhaupt nicht! Das war auch eine Vermutung von uns, aber die sind tatsächlich eher die Minderheit. Wir haben alles: von Maschinenbau, Musik, Sprachstudium, Jus etc. Auch von den Geschlechtern, was mich auch nochmal überrascht hat, ist es wirklich fast 50/50.
Bild 1, 2 und 4: Peter hat in seiner Wohnung Platz gemacht für 3 junge Wohnbuddys. Das hält den nach wie vor berufstätigen 70-Jährigen zusätzlich fit.
Die Studis finden euch über die Homepage, aber wie treten die Älteren mit euch in Kontakt, die sind ja nicht so internetaffin…
Das ist ein Klischee, denn die meisten werden echt über das Internet auf uns aufmerksam! Und natürlich auch über Mundpropaganda. Wir waren im letzten Jahr viel in den Medien, im Fernsehen usw. Mittlerweile gibt es ein organisches Wachstum, immer mehr Menschen stellen Wohnraum zur Verfügung. Unsere größte Werbung sind halt Menschen, die das selber schon leben.
Wie schnell kann eine Zusammenführung gehen?
Manchmal extrem schnell, manchmal echt innerhalb einer Woche. Wenn sich Leute melden, treten wir mit ihnen innerhalb von 24 Stunden in Kontakt, per Email oder Telefon. Aufgrund der Dinge, die wir abfragen, machen wir dann Angebote, und dann vermitteln wir sie entweder an die Seniorenwohnhäuser oder an private Wohnraumsteller. Wir haben eine vertragliche Grundlage ausgearbeitet, die das Zusammenleben von Jung und Alt regeln kann und eine Vertrauensbasis schafft. Grundsätzlich haben beide Seiten auch die Möglichkeit, sich bei uns zu melden, wenn es Probleme gibt. Aber das kommt de facto nie vor.
Welche Rechte und Pflichten habe ich als junger Mensch in diesem Setting?
Im Seniorenwohnhaus gibt es Richtlinien. 25 Stunden im Durchschnitt pro Monat wird Zeit mit den älteren Bewohnern verbracht. Wichtig ist: Es sind keine Pflegetätigkeiten! Das ist vertraglich mit den Seniorenwohnhäusern geregelt. Es geht darum, dass die Leute Zeit haben für die Bewohner, dass sie da sind für Gespräche, sie in den Garten begleiten und so weiter. Wir haben Studierende, die Workshops anbieten, wir haben Musikstudierende, die Konzerte geben, es kommt also auch auf die Fähigkeiten der Studierenden selber an. Da gibt es keine Grenzen.
In den privaten Settings machen sie sich das untereinander aus, da ist es aber auch maximal eine Stunde am Tag. Aber ganz oft gibt es auch keine Regelung, weil es einfach wie in einer ganz normale WG funktioniert. Da passiert es von selber, dass man sich gegenseitig unterstützt, Zeit miteinander verbringt usw. Nur bei Settings, wo die Studis wirklich so gut wie gar nichts zahlen, redet man vorab über die Tätigkeiten, die erwartet werden. Das können wir in einer Vereinbarung festhalten.
Ein echter Wahnsinn: Dorli ist zwar bereits über 100, aber trotzdem gehört die ehemalige Direktorin der Sozialakademie nicht zum alten Eisen. Mit ihrem Wohnbuddy Elisabeth teilt sie nicht nur die wissenschaftlichen Interessen.
Was waren so die letzten Kombinationen, die ihr geschaffen habt?
Wir haben aktuell sehr schöne Kombis. Es gibt zwei Austauschstudentinnen aus England, die ihr Auslandsjahr in Wien machen. Eine wohnt jetzt im 7. Bezirk bei einer 70-jährigen Dame. Die andere wohnt bei einer Mitte 50-Jährigen, deren Tochter nach Amerika gegangen ist, und die jetzt ein leeres Zimmer hat. Da ist Wohnbuddy auch wahnsinnig praktisch, weil viele wollen in ihrer Austauschzeit mit Locals zusammen wohnen, aber oftmals ist es total schwierig, vom Ausland weg eine WG hier zu finden.
Ein weiteres tolles Beispiel: Michael wohnt aktuell bei Peter. Peter wohnt im 4. Bezirk in einer riesigen Wohnung, er ist Mitte 70, aber immer noch berufstätig. Und wohnt mittlerweile mit 3 jungen Leuten. Da wird jeden Abend in der Küche über Gott und die Welt gequatscht.
Und dann auch noch sehr einprägsam: Vor 2 Jahren hatten wir eine Vermittlung mit einer 100-Jährigen namens Dorli. Sie war früher im Bereich Psychologie tätig und hat sogar Anna Freud damals getroffen. Wir haben ihr dann Elisabeth vermittelt, die sich gerade im psychologischen Bereich selbstständig gemacht hat. Es ist so toll zu sehen, wenn sich so wunderschöne Sachen ergeben!
Weitere Infos und die Kontaktdaten findest du auf der Wohnbuddy-Website.
Ob Wohnbuddy oder doch klassisch Studentenwohnheim und Studenten-WG, in unserem Wohnmagazin haben wir tolle Inspiration für Locationfindung, Spartipps, WG-Gründung etc.
Fotocredits: Wohnbuddy